Vom Bürgergeld zur Grundsicherung: Kabinett beschließt SGB-II-Reform
Das Kabinett hat den Gesetzentwurf zum Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) und anderer Gesetze beschlossen. Mit dem Vorhaben plant die Bundesregierung eine umfassende Reform der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zentral ist dabei die Abkehr von der Bürgergeld-Reform und die Rückkehr zu einer stärker auf Verpflichtung und Sanktion ausgerichteten Grundsicherung.
Kern des Gesetzentwurfs ist die symbolische wie inhaltliche Abwicklung zentraler Elemente des Bürgergeldes. Gleichzeitig enthält das Gesetz auch Änderungen in anderen Rechtskreisen, insbesondere im SGB III, etwa zur Förderung junger Menschen und zur Stärkung von Jugendberufsagenturen.

Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs als Herzstück der Reform
Herzstück der Reform ist die Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs. Die unmittelbare Vermittlung in Arbeit erhält wieder Vorrang vor Qualifizierung, Stabilisierung und längerfristiger Förderung. Damit verschiebt sich der Fokus der Grundsicherung deutlich: weg von einer stärker individuellen und entwicklungsorientierten Unterstützung, hin zu einer schnelleren und verbindlicheren Arbeitsaufnahme.
Verschärfungen gegenüber dem Referentenentwurf
Bereits zum Referentenentwurf hatten wir eine Übersicht der geplanten Änderungen veröffentlicht. Diese Zusammenfassung findet sich hier: https://www.bagarbeit.de/news/koalitionsausschuss-einigt-sich-auf-neue-grundsicherung-die-wichtigsten-beschluesse-im-ueberblick/
Zudem hat die bag arbeit gemeinsam mit BBB, EFAS und VDP eine Stellungnahme zum Referentenentwurf eingereicht, in der auf erhebliche fachliche und sozialpolitische Risiken hingewiesen wurde: https://www.bagarbeit.de/news/koalitionsausschuss-einigt-sich-auf-neue-grundsicherung-die-wichtigsten-beschluesse-im-ueberblick/
Der nun vorliegende Kabinettsbeschluss geht in mehreren Punkten über den Referentenentwurf hinaus. So ist der Beschluss ist strukturell härter bei Meldeversäumnissen und es werden zwar weitgehend dieselben Instrumente genutzt wie im Referentenentwurf, diese entfalten nun jedoch eine deutlich höhere Sanktionswirkung. Schwellen für Leistungseinschränkungen wurden abgesenkt, Verfahrenssicherungen reduziert.
Damit verstärkt der Kabinettsbeschluss den Druck auf Leistungsberechtigte weiter und verschiebt das Gleichgewicht zwischen Unterstützung und Mitwirkung erneut zulasten der Betroffenen.
Kritik auch aus den Jobcentern: Mehr Verwaltung, weniger aktive Förderung
Die Verschärfungen im Kabinettsbeschluss stoßen auch in den Jobcentern selbst auf deutliche Vorbehalte. Wie Table.Media berichtet, erwarten führende Vertreter der Jobcenter, dass die neuen Regelungen einen erheblichen Mehraufwand in der Verwaltung nach sich ziehen und zu zunehmenden Rechtsstreitigkeiten führen werden. Insbesondere die zahlreichen Einzelfallprüfungen, etwa bei Meldeversäumnissen, der Feststellung von Nichterreichbarkeit oder bei den Unterkunftskosten, gelten als rechtlich und organisatorisch anspruchsvoll.
Aus Sicht der Praxis ist zu befürchten, dass die Reform keine Verwaltungsvereinfachung, sondern vielmehr neue komplexe Prüf- und Rechtsfolgenprozesse mit sich bringt. Dies ist auch vor dem Hintergrund der Finanzierung der Jobcenter problematisch: Bereits heute werden erhebliche Mittel aus den Eingliederungsleistungen in den Verwaltungstitel verschoben, um steigende administrative Anforderungen zu bewältigen. Es besteht die Gefahr, dass sich dieser Trend weiter verstärkt – mit der Folge, dass weniger finanzielle Spielräume für aktive Arbeitsmarktpolitik, Qualifizierung und individuelle Förderung zur Verfügung stehen.
Wie geht es nun weiter? – Der parlamentarische Zeitplan
Nach dem Kabinettsbeschluss beginnt nun das parlamentarische Verfahren:
Januar 2026 – Erste Lesung im Bundestag
Der Gesetzentwurf wird erstmals im Plenum des Deutscher Bundestag beraten und anschließend in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
- Geplant ist die Erste Lesung für den 15.–16. Januar 2026.
Beratung in den Ausschüssen
Zuständig ist insbesondere der Ausschuss für Arbeit und Soziales.
- Geplanter Start der Ausschussberatungen: 28. Januar 2026
- Öffentliche Sachverständigenanhörungen sind vorgesehen, u. a. am 23. Februar 2026.
- Abschluss der Ausschussberatungen: voraussichtlich bis 4. März 2026.
Zweite und dritte Lesung im Bundestag
Nach Abschluss der Ausschussberatungen folgen die zweite und dritte Lesung mit Schlussabstimmung im Plenum.
- Derzeit geplant für den 5. und 6. März 2026.
Bundesrat
Nach der Verabschiedung im Bundestag wird das Gesetz dem Bundesrat vorgelegt.
- Befassung geplant für den 27. März 2026.
Inkrafttreten
Sofern Bundestag und Bundesrat zustimmen, soll das Gesetz zum 1. Juli 2026 in Kraft treten.
Die bag arbeit begleitet den Prozess kritisch
Die BAG Arbeit wird den weiteren parlamentarischen Prozess fachlich kritisch begleiten und sich weiterhin gemeinsam mit Partnerorganisationen für eine arbeitsmarktpolitisch wirksame, sozial ausgewogene und rechtsstaatlich abgesicherte Grundsicherung einsetzen.