Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
Immer mehr Jugendliche in Deutschland schaffen den Übergang von der Schule in den Beruf nicht reibungslos. Sie verlassen das Bildungssystem, ohne eine Ausbildung begonnen zu haben und viele tauchen anschließend auch nicht im System der Arbeitsförderung auf.
Die Zahl junger Menschen ohne Berufsausbildung ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatten im Jahr 2024 rund 1,6 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 34 Jahren keinen Berufsabschluss. 2013 waren es noch 460.000. Damit bleibt inzwischen fast jede fünfte Person dieser Altersgruppe ohne formale berufliche Qualifikation. Gleichzeitig blieben im Jahr 2024 fast 70.000 Ausbildungsstellen unbesetzt.
Diese Entwicklung ist alarmierend. Sie betrifft die jungen Menschen selbst ebenso wie die Gesellschaft insgesamt, insbesondere mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel. Viele gehören zur Gruppe der sogenannten NEETs, also „Not in Education, Employment or Training“. Ende 2023 waren rund 626.000 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren betroffen. Ein großer Teil von ihnen wird durch die bestehenden Unterstützungsstrukturen nicht erreicht. Oft tauchen sie erst Jahre später wieder auf – dann als Langzeitarbeitslose in den Jobcentern. Zu diesem Zeitpunkt ist die Förderung besonders aufwendig, und die Chancen auf eine erfolgreiche Integration in Ausbildung oder Arbeit sind deutlich schlechter.
Dabei existieren bereits Instrumente, die früher ansetzen könnten. § 16h SGB II ermöglicht aufsuchende, niedrigschwellige Unterstützung für schwer erreichbare Jugendliche. Doch dieses Angebot wird bislang kaum ausgeschöpft. Im Schnitt werden pro Jobcenter nur acht junge Menschen erreicht. Das ist deutlich zu wenig.
Ein abgestimmtes Vorgehen aller beteiligten Akteure ist unerlässlich, um junge Menschen frühzeitig zu erreichen und wirksam zu unterstützen. Damit Zusammenarbeit zwischen Schulen, Jugendhilfe, Arbeitsagenturen und Jobcentern gelingt, braucht es jedoch einen klaren politischen Rahmen. Zuständigkeiten müssen verbindlich geregelt, gemeinsame Ziele formuliert und Kooperation strukturell abgesichert werden. Jugendberufsagenturen könnten hier eine wichtige Rolle spielen. Sie bieten bereits Ansätze für eine koordinierte Unterstützung, benötigen dafür aber eine rechtliche Grundlage, klare Aufgabenprofile und ausreichende Ressourcen.
Dieses Heft bietet einen Überblick über die aktuelle Lage und zeigt, an welchen Stellen nachgesteuert werden muss. Es versteht sich als Einladung, genauer hinzuschauen, Verantwortung zu teilen und neue Wege der Zusammenarbeit zu entwickeln. So kann verhindert werden, dass junge Menschen durchs Raster fallen und langfristige Abhängigkeiten entstehen.
Viel Spaß beim Lesen,
Alina Simon
Geschäftsführerin der bag arbeit

Alina Simon ist Geschäftsführerin der bag arbeit e. V.