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ChatGPT im Bildungsbereich

forum arbeit 01/24

von Stefan Aufenanger

Künstliche Intelligenz, insbesondere in Form von ChatGPT, hat in den letzten Monaten nicht nur die öffentliche Diskussion, sondern auch das Bildungssystem erreicht. Neben einem wachsenden Angebot an Anwendungen für den Unterricht und verschiedene Fächer bilden sich inzwischen auch viele Lehrerkollegien zu diesem Thema fort. Trotzdem bleibt bei vielen Kolleg*innen nicht nur ein Unbehagen bezüglich der enormen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz , sondern auch der Wunsch, mehr über deren Potenziale zu wissen.  

Eine erste, nicht sonderlich repräsentative Studie des Philologenverbandes NRW im April 2023 – also ganz zu Beginn des KI-Hypes – zeigte, dass ChatGPT & Co. bereits Einzug in die Schulen gehalten haben. Von den damals 750 befragten Lehrkräften nutzte bereits ein Fünftel diese Anwendungen im Unterricht und jeder Zehnte zur Unterrichtsvorbereitung. Ein knappes Jahr später, zu Beginn des Jahres 2024, war es bei einer etwas höheren Zahl von Befragten bereits knapp die Hälfte, die diese Programme im Unterricht einsetzte.  Vor allem die jüngeren Lehrkräfte nutzen ChatGPT & Co. häufiger als ihre älteren Kolleg*innen, vor allem zur Text- und Aufgabenerstellung, aber auch für Informationen an die Eltern. 

ChatGPT im Bildungsbereich

ChatGPT kann in Unterricht und Studium für vielfältige Aufgaben eingesetzt werden
ChatGPT kann in Unterricht und Studium für vielfältige Aufgaben eingesetzt werden. Was kann man mit ChatGPT & Co. im Bildungssystem machen bzw. vereinfachen? Bezogen auf die verschiedenen Schularten und Hochschulen umfasst das Lernen dort viele grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten wie das Recherchieren zu ausgewählten Themen, das Zusammenfassen oder auch Kürzen von Texten, das Erstellen von Texten und Präsentationen und natürlich auch die Vorbereitung auf Prüfungen.

Aus Sicht der Lehrnenden
Aus der Sicht der Lehrenden lassen sich einige Aufgaben sehr gut mit Anwendungen wie ChatGPT oder ähnlichen Programmen erledigen. Sie sparen Zeit und ermöglichen oft ein systematisches Vorgehen. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen. So können Recherchen zu ausgewählten Themen durchgeführt werden, nachdem man z.B. ChatGPT gebeten hat, dazu eine Gliederung vorzuschlagen. Zum Thema ‚Arbeitssicherheit‘ werden z.B. die wichtigsten Aspekte dazu aufgelistet. Anschließend kann man die zentralen Bestimmungen dazu im Internet als PDF suchen und ebenfalls von ChatGPT zusammenfassen lassen.

Möchte man einen Kurs zu diesem Thema ausschreiben, lässt man diesen ebenfalls von diesem Programm erstellen: „Schreibe mir eine Ankündigung für einen Kurs zum Thema Arbeitssicherheit. Die Zielgruppe sind Schüler*innen einer Berufsschule.“ Für den Kurs selbst benötigt man dann für die erste Sitzung eine Einführung in das Thema. Man gibt ChatGPT die Aufgabe „Erstelle fünf Folien für eine Präsentation zum Thema Arbeitssicherheit, die die zentralen Aspekte dazu zeigen“ und kann dann auch direkt entsprechende Bilder oder Grafiken generieren lassen. Wenn eine Prüfung ansteht, können auch dafür Aufgaben entwickelt werden, wie z.B. „Erstelle eine Prüfungsaufgabe mit fünf Multiple-Choice-Fragen, von denen zwei richtig und drei falsch sind, wofür ein Arbeitgeber in Bezug auf die Sicherheit am Arbeitsplatz verantwortlich ist! 

Aus Sicht der Lernenden
Aus Sicht der Lernenden kann ähnlich vorgegangen werden. Für Referate oder Hausarbeiten kann ChatGPT zur Gliederung verwendet werden. Der Hinweis, dass die Texte jedoch selbst verfasst werden müssen, sollte selbstverständlich sein. So kann dieses Programm natürlich auch zur Prüfungsvorbereitung genutzt werden. Dies ist sehr gut möglich, indem man ChatGPT sogenannte Personas gibt, also eine Rolle zuweist. Das könnte so aussehen: „Ich möchte mich auf eine Prüfung zum Thema Arbeitssicherheit vorbereiten. Sei mein Lehrer und stelle mir Fragen zu diesem Thema, die ich beantworten soll. Bewerte dann meine Antworten.“ Dies kann sehr gut mit der Audiofunktion von ChatGPT durchgeführt werden, da ich dann ein echtes Gespräch simulieren kann: Das Programm spricht mit mir und ich antworte wie in einem normalen Unterrichtsgespräch. Das ist auch sehr nützlich, um zum Beispiel ein Bewerbungsgespräch zu simulieren.

Um all diese Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz optimal ausschöpfen zu können, ist es notwendig, gute Aufgaben oder Fragen erstellen zu können. Dies wird auch ‚Prompting‘ genannt. Prompts sind Eingaben, um ChatGPT eine Aufgabe zu geben, eine Frage zu stellen oder Texte zusammenzufassen. Die folgenden Tipps helfen, bessere und genauere Ergebnisse zu erzielen.

Tipps

Kontext liefern

Manchmal ist es für die Wirkung eines Textes wichtig, in welchem Kontext er geschrieben ist. So kann es z.B. hilfreich sein, in der Kursbeschreibung darauf hinzuweisen, dass der Textstil entweder auffordernd, reißerisch oder witzig sein soll. Abhängig von der Zielgruppe, für die die Ergebnisse bestimmt sind, kann auch angegeben werden, dass „die Antwort von einem fünfjährigen Kind verstanden werden sollte“ oder dass „die Antwort in einfacher Sprache verfasst werden sollte“.

Aufgaben klar und präzise beschreiben
Je konkreter und präziser die Anweisung ist, desto besser und konkreter sind auch die Antworten. Lieber zu viel beschreiben, wie die Aufgabe aussehen soll, als zu wenig. Die Anweisung „Erstelle einen Kursplan für künstliche Intelligenz“ ist zu diffus. Die Aufgabe „Erstelle einen Kursplan für künstliche Intelligenz für eine Volkshochschule mit Teilnehmer:innen, die wenig Voraussetzungen mitbringen“ ist dagegen präziser. Es können auch Hinweise gegeben werden, in welcher Form das Ergebnis vorliegen soll, z.B. „Stelle das Ergebnis in einer Tabelle dar“, „Beschränke die Antwort auf zehn Zeilen“ oder „Erstelle eine Liste dazu“.

Beispiele hinzufügen
Man sollte ChatGPT Beispiele dafür, wie man die Antwort gerne hätte, um einen entsprechenden Text zu erstellen. Dies kann ein ähnlicher Text sein, den man gut finden, oder ein Ergebnis, mit dem man sehr zufrieden waren. 

Eine Rolle zuweisen
Es ist auch hilfreich, ChatGPT eine Rolle (oder ‚Persona‘) zuzuweisen, die es bei der Bearbeitung der Aufgabe übernehmen soll. Dies kann zum Beispiel folgendermaßen geschehen: „Sei mein Lehrer“, „Handle als Vorgesetzter“ oder „Sei ein Berufsberater…“.

Auf Einschränkungen hinweisen
„Benutze keine Fremdwörter“ oder „Kein Satz sollte länger als zehn Wörter sein“ sind Einschränkungen, die das Ergebnis beeinflussen. 

Auswerten und optimieren
Die Ergebnisse des ChatGPT sollten auch bewertet werden, indem man sie als ‚erfolgreich‘ oder ‚wenig hilfreich‘ einstuft. Gleichzeitig wird hinterfragt, warum das Ergebnis so bewertet wurde. So lernt man, bessere ‚Prompts‘ zu erstellen und bei der nächsten Anwendung besser und möglicherweise auch schneller zu einem guten Ergebnis zu kommen. 

Herausforderungen und Umgang

Insgesamt sollte man die Chat-Funktion von ChatGPT nutzen, um dem Programm mitzuteilen, dass man entweder mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist, etwas nicht verstanden hat, etwas genauer beschrieben haben möchte oder auch das Ergebnis nicht teilt, weil es z.B. falsch sein könnte. Nachfragen ist immer gut.

Der Umgang mit den vielfältigen Anwendungen künstlicher Intelligenz im Bildungssystem stellt dieses vor große Herausforderungen. Eine Reaktion darauf könnte sein, alles zu verbieten, wie es bereits bei der Nutzung von Smartphones in Schulen versucht wurde. Es zeigt sich aber, dass die Lernenden oft schlauer sind und Wege finden, ein Verbot zu umgehen. Zudem wird es gerade bei den beschriebenen Möglichkeiten und Potenzialen von ChatGPT & Co. äußerst schwierig zu überprüfen, ob die Produkte menschlich oder durch künstliche Intelligenz generiert wurden. Insofern erscheint es sinnvoller, klare Regeln für den Umgang mit diesen Anwendungen einzuführen und bei Nichteinhaltung entsprechende Sanktionen zu verhängen. Eine Grundregel sollte natürlich sein, den Einsatz von künstlicher Intelligenz kenntlich zu machen und nicht für Diskriminierungen zu missbrauchen.  Eine Regel könnte z.B. lauten, dass eine Recherche für ein Referatsthema mit ChatGPT durchgeführt werden darf, wenn die Aufgabenstellung und die vom Programm angegebenen Quellen genannt werden. Eine reine Textproduktion mit ChatGPT, z.B. die Zusammenfassung einer Studie, die mit diesem Programm erstellt wurde, darf hingegen nicht verwendet werden, da es sich hierbei nicht um eine eigenständige Leistung der Lernenden handelt. In jedem Fall ist es pädagogisch am sinnvollsten, diese Regeln gemeinsam mit den Lernenden zu erarbeiten. Es kann eine zentrale Aufgabe z.B. des Ethikunterrichts sein, solche Regeln gemeinsam zu entwickeln. Auch die Lehrenden müssen darauf vorbereitet werden, wie sie mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht umgehen. Dies kann beispielsweise durch entsprechende Fortbildungen geschehen. 

Eine weitere Herausforderung für pädagogische Einrichtungen wird es sein, nachzuweisen, ob künstliche Intelligenz bei der Produktion von Lernleistungen eingesetzt wurde. Zwar gibt es auf dem Markt entsprechende Programme, doch sind diese in den meisten Fällen nicht sehr genau. Es ist zwar davon auszugehen, dass neue Programme auf den Markt kommen werden, gleichzeitig muss aber damit gerechnet werden, dass die Verschleierung von KI-generierten Texten, Bildern und Videos mit fortschreitender Technologie ebenfalls zunehmen und besser werden wird. 

Was wird sich mit dem Einzug der künstlichen Intelligenz in die Bildungseinrichtungen ändern?
Zum einen wird ihr Einsatz ganz selbstverständlich zum pädagogischen Alltag gehören und in vielen Fällen sowohl das Lehren als auch das Lernen erleichtern. Andererseits stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf Prüfungen oder Hausaufgaben haben wird. Wenn es immer noch schwierig sein wird, KI-generierte Produkte nachzuweisen, bleibt oft nur die Möglichkeit, schriftliche Prüfungen nur noch in Präsenzformaten abzuhalten oder ganz darauf zu verzichten und nur noch mündliche Prüfungen durchzuführen. Letzteres bedeutet aber auch einen höheren Aufwand für die Prüfer:innen. Insgesamt sollte diskutiert werden, ob durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz wie ChatGPT und anderen Programmen nicht das Ende der Schriftlichkeit im Bildungssystem eingeläutet wird bzw. wie Prüfungen in Zukunft sinnvoller gestaltet werden sollten, um die Eigenständigkeit des Denkens der Lernenden besser überprüfen zu können.

Unsere Autor Stefan Aufenanger

ist ein deutscher Erziehungswissenschaftler und Medienpädagoge an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz mit dem Arbeitsschwerpunkt Lehren und Lernen mit digitalen Medien.