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Bürgergeld: Unsere Stellungnahme zum Referentenentwurf

23. August 2022

Auf Grundlage des Koalitionsvertrags von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, der die Ablösung der Grundsicherung durch ein neues Bürgergeld vorsieht, liegt der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Einführung eines Bürgergeld-Gesetzes vor. Ziel der Reform ist die Achtung der Würde des und der Einzelnen und die Verbesserung der Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe. Der Entwurf übernimmt die Vorgaben des Koalitionsvertrags und plant mit einer Umsetzung der Umstellung zum 1. Januar 2023.

Die in der Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e.V. (bag arbeit) zusammengeschlossenen Unternehmen engagieren sich in der Bildungs- und Arbeitsförderung. Sie setzen ihre fachliche und soziale Kompetenz ein, um arbeitslosen Menschen Chancen auf eine soziale und berufliche Integration zu eröffnen. Unsere Mitgliedsunternehmen verstehen sich als arbeitsmarkt- und bildungspolitische Dienstleister und agieren als soziale Unternehmer.

Wir begrüßen ausdrücklich die Reformen des Bürgergeld-Gesetzes. Insbesondere die Entfristung des Teilhabechancengesetzes, die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs, die ganzheitliche Betreuung, die Zielsetzung von Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die neuen Anreize für Weiterbildung und die Weiterentwicklung des Eingliederungsprozesses.

Der Referentenentwurf geht dringend notwenige Schritte bei der Integration in Gesellschaft und Arbeit. Jedoch möchten wir ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Entwurf teilweise sehr allgemein gehalten ist und es für eine nachhaltige Verbesserung der Strukturen insbesondere auf die differenzierte Ausgestaltung der Instrumente im SGB II und die finanzielle Absicherung des Reformvorhabens ankommen wird. Hier möchten wir das Augenmerk insbesondere auf zwei Punkte richten:

  1. Die Anpassung der Instrumente

Um mehr Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, müssen die Qualitätsstandards von Integrationsmaßnahmen in den Mittelpunkt gerückt werden und diese nachhaltiger und flexibler gestaltet werden. Nur so können Menschen in zielführenden Angeboten langfristig für den Arbeitsmarkt qualifiziert werden. Hier reichen die tradierten Instrumente nicht aus. Um den Bedarfen gerecht zu werden, braucht es:

  • neue und flexiblere Instrumente, die unkompliziert auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtet werden können
  • Zuweisung nach persönlicher Eignung, d.h. gemäß festgestellter Potenziale und Integrationschancen
  • eine Förderstruktur mit nachvollziehbaren und transparenten Qualitätsstandards
  • eine Förderstruktur, die die Qualität und Verlässlichkeit der Leistungserbringung gemäß tatsächlicher regionaler Bedarfe in den Vordergrund stellt
  • integrierte Qualifizierungs- und Coachingangebote, die verbindlich mit Beschäftigungsstrukturen verbunden sind.
  • Weiterbildungsmaßnahmen, die möglichst unmittelbar als Instrument innerhalb des SGB II an die Beschäftigung andocken
  • Maßnahmen, die bei Bedarf gesundheitsbezogene Aspekte ausdrücklich mit einbeziehen
  • Kostensätze im Bereich der beruflichen Bildung und sozialen Integration, die sich grundsätzlich an den tatsächlichen Bedarfen orientiert und Ergebnis eines Interessenausgleichs/Verhandlungsergebnisses sind (wie bei Leistungen des SGB VIII und XII/ Jugend- oder Sozialhilfe) und nicht ausschließlich aus marktwirtschaftlichen Vergabeverfahren resultieren
  1. Die finanzielle Ausstattung

Der Referentenentwurf sieht für den Bund 2023 Mehrausgaben von 445 Mio. Euro vor, dieses sollen bis 2026 auf 1.355 Mio. Euro steigen. Die Berechnung der Kosten und der starke Anstieg bis 2026 ist für uns nicht ersichtlich. Zudem sind Finanzmittel aus passiven Leistungen nicht benannt. Es ist außerdem nicht ersichtlich, ob zusätzliche Kosten für Weiterbildung und ganzheitliche Betreuung einbezogen sind oder ob diese aus dem Eingliederungstitel finanziert werden müssen, dessen Senkung zur Disposition steht.

Wir sprechen uns entschieden gegen die Kürzung des Eingliederungstitels aus. Um dem akuten Fach- und Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, muss die Förderung berufsbezogener Qualifikationen sichergestellt werden. Hier werden zukünftig mehr Mittel benötigt, nicht weniger. Besonders die Instrumente, um auch langzeitarbeitslosen Menschen eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen, brauchen langfristig eine gute finanzielle Sicherung.

Der Erfolg des Bürgergeld-Gesetzes hängt von seiner nachhaltigen und zukunftsfesten Ausgestaltung ab. Der Referentenentwurf ist ein erster vielversprechender Schritt, jetzt wird es besonders auf die Ausgestaltung der Instrumente und finanzielle Ausstattung des Reformvorhabens ankommen, um gesellschaftliche Teilhabe für alle Mitglieder unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Für Rückfragen und Gespräche stehen wir gerne zur Verfügung.

Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e.V.

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