Die Ergebnisse des IAQ-Reports zeigen: Zwar liegen vielerorts geschlechterdifferenzierte Daten vor – etwa zu Arbeitslosenquoten, Dauer der Arbeitslosigkeit oder zur Inanspruchnahme arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen –, doch werden sie selten gezielt ausgewertet oder genutzt. „Fehlen konkrete Zahlen in den Zielvereinbarungen, etwa dazu, wie viele Frauen in Beschäftigung integriert werden sollen, bleibt das Thema eher im Hintergrund“, erklärt Brussig. Zwar betonen Führungskräfte ihre Verantwortung, Gleichstellung zu fördern – „doch spiegelt sich das nicht immer in ihrem Handeln wider“, so der Arbeitsmarktexperte. Ein weiteres Problem: Mindestens an der Hälfte der Fallstudienstandorte fanden keine Schulungen zur Genderkompetenz statt.
Die seit 2011 gesetzlich vorgeschriebenen Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) werden als hilfreich für die Umsetzung von Gleichstellung wahrgenommen – sofern sie den Mitarbeitenden in der Vermittlung bekannt sind. Dies ist umso eher der Fall, je größer der Stellenumfang der BCA ist. Auch spezialisierte Teams oder Fachkräfte für Frauen im Leistungsbezug können positive Effekte auf das gleichstellungspolitische Handeln in den Jobcentern haben. Mehr und vor allem passgenauere Vermittlungen gelingen laut Brussig unter anderem dann, wenn beispielsweise gezielt bei der Suche nach Kita-Plätzen unterstützt wird oder geeignete Arbeitgeber bekannt sind und angesprochen werden. „Die Spezialisierung von Mitarbeitenden sollte jedoch nicht zu einer ‚Abkapselung‘ führen, sondern dazu beitragen, dass die Belange der Gleichstellung in die Gesamtorganisation integriert werden“, betont der Wissenschaftler.
Fazit: Gleichstellung ist in den Jobcentern bislang nicht flächendeckend verankert. „Gesetzliche Vorgaben reichen nicht aus, wenn die organisatorischen Grundlagen nicht bestehen“, so Brussig. Die Wissenschaftler:innen empfehlen deshalb unter anderem verpflichtende Schulungen, klare Zielvorgaben, eine bessere Unterstützung der Führungsebene sowie eine ausreichende personelle Ausstattung. Zudem sollte regelmäßig überprüft werden, wie wirksam die Maßnahmen vor Ort tatsächlich sind.
* Die Untersuchung wurde geleitet vom ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH unter Mitwirkung des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) sowie von defacto – sozialwissenschaftliche Forschung und Beratung. Der Schlussbericht des Forschungsprojekts „Gleichstellungsimpulse im SGB-II-Zielsteuerungssystem“ wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlicht.
Weitere Informationen:
Martin Brussig, Andrea Kirchmann, Irene Pimminger, Eva Roth, Christin Schafstädt, Hans Verbeek, 2025: Gleichstellungsförderung durch Jobcenter – Organisatorische Grundlagen und Hemmnisse. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2025-08