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„Unser Ziel ist es, unsere Wettbewerbsfähigkeit mithilfe von KI zu steigern, ohne dabei Personal einzusparen!“

forum arbeit 01/24

ein Interview mit Reiner Engel

In welchen Bereichen setzen Sie in der TERTIA Künstliche Intelligenz (KI) bereits ein?

Nachdem das Thema KI im November 2022 so richtig an Fahrt aufgenommen hat, haben wir zunächst einen von Dr. Sonya Dase und Christiane Carstensen von der Firma „Deutsch im Job GmbH“ geleiteten Workshop zum Thema KI veranstaltet, zu dem wir unsere Führungskräfte eingeladen haben. Aus diesem Workshop heraus wurde eine firmeninterne Arbeitsgruppe zum Thema KI gegründet, die sich regelmäßig trifft und, unterstützt durch Frau Dr. Dase und Frau Carstensen, den Einsatz von KI bei TERTIA koordiniert. Dabei wurden zunächst vier Einsatzfelder von KI definiert: die Unterstützung von Kund:innen bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen, die Verbesserung unseres Qualitätsmanagements, die Optimierung von Angebotskonzepten sowie der Einsatz bei der Planung von Maßnahmen und Maßnahmeinhalten. Flankiert wird diese KI-Arbeitsgruppe durch unsere IT-Abteilung, die sich um die Einbindung der KI-Systeme in „unser“ IT-System kümmert, und durch unsere Datenschutzabteilung, die dafür sorgt, dass bei der Nutzung von KI alle datenschutzrechtlichen Aspekte penibel eingehalten werden.

Welche Ziele streben Sie mit dem Einsatz der neuen Technologien an?

Mit dem Einsatz von KI streben wir eine Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit sowie eine Effizienz- und Motivationssteigerung unserer Mitarbeiter:innen an. Wir möchten unsere Kolleg:innen von Routinearbeiten entlasten, ihnen mehr Zeit für kreatives Arbeiten geben und ihren möglichen Einsatzbereich erweitern.

Reiner Engel ist Vorstandsmitglied der bag arbeit und Geschäftsführer der TERTIA-Gruppe, die in der Arbeitsförderung tätig ist.

Könnten Sie einige konkrete Maßnahmen nennen, die bereits umgesetzt wurden?

Nachdem wir zunächst die oben benannten vier Arbeitsfelder für den Einsatz von KI definiert und gemeinsam mit unserem Betriebsrat Leitlinien zum Umgang mit KI bei TERTIA entwickelt haben, wurde ein OpenAI Teamaccount eingerichtet, den wir allen interessierten Kolleg:innen zur Verfügung stellen. In einem zweiten Schritt haben wir für die vier Felder jeweils einen Handlungsleitfaden entwickelt, den wir aufgrund der enormen Dynamik stetig weiterentwickeln. Zudem hat die Arbeitsgruppe erste Versuche mit einem eigenen GPT für kleine, in sich abgeschlossene, Arbeitsschritte durchgeführt. Mittlerweile nutzen wir KI aktiv in den vier Feldern, stimmen uns in der Arbeitsgruppe regelmäßig ab und streben an, weitere Kolleg:innen für die Nutzung von KI zu begeistern und zu gewinnen.

Welche Herausforderungen oder Grenzen sehen Sie im Einsatz von KI in diesen Bereichen?

Eine große Herausforderung besteht darin, bei allen Anwendungen strikt auf die Einhaltung des Datenschutzes zu achten. Daher arbeiten wir daran, ein eigenes geschlossenes TERTIA-KI-System aufzusetzen, das nicht mit anderen KI-Systemen kommuniziert Eine weitere Aufgabe besteht darin, KI flächendeckend und einheitlich zum Einsatz zu bringen. Zudem gibt es technische Grenzen der textbasierten KI, die den Arbeitsfluss einschränken: Die bisherigen Systeme, die uns zur Verfügung stehen, sind in Bezug auf die Textmenge, die sie verarbeiten können, begrenzt. Dies erfordert kleinschrittigeres Arbeiten . Auch das Ergebnis, das die KI ausgibt, ist nicht immer stimmig. Es muss stets von Fachkräften überprüft und – je nach Themenbereich – auch überarbeitet werden. Dass die KI autark komplexe Aufgaben übernimmt, sehen wir beim aktuellen technischen Stand noch nicht.

Gibt es Bedenken oder Widerstände innerhalb Ihres Teams gegenüber dem Einsatz von KI?

Der Großteil unserer Kolleg:innen ist gegenüber dem Einsatz von KIsehr aufgeschlossen. Dies liegt zum einen darin begründet, dass wir unsere Mitarbeiter:innen von Anfang an in die Entwicklung und Nutzung von KI mit eingebunden haben, und zum anderen , dass wir KI nicht nutzen werden, um Personal einzusparen, sondern um die Arbeit unserer Mitarbeiter:innen interessanter und abwechslungsreicher zu gestalten. Selbstverständlich wurde unser Betriebsrat ebenfalls von Anfang an involviert,unsere Datenschutzabteilung natürlich auch.

Wie unterstützen Sie Ihre Mitarbeitenden dabei, die Vorteile von KI zu erkennen und in ihren Aufgabenbereichen einzusetzen?

In unserer KI-Arbeitsgruppe mit ihren Unterarbeitsgruppen integrieren wir von Anfang an unsere Mitarbeiter:innen bei der Nutzung von KI. Wir haben begonnen, KI in unsere internen Schulungen zum Thema Jobcoaching aufzunehmen, so dass die Kolleg:innen praxisorientiert an die Thematik herangeführt werden.
Als Geschäftsführung haben wir von Anfang an klargestellt, dass wir KI dazu nutzen möchten, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und nicht dazu, Personal einzusparen. Darüber hinaus zahlt sich die professionelle Begleitung unserer Prozesse durch die Beratungsgesellschaft „Deutsch im Job GmbH“ aus.

Welche Hindernisse oder regulatorischen Probleme sehen Sie auf politischer Ebene, die möglicherweise den erfolgreichen Einsatz von KI in diesen Bereichen behindern könnten, und wie könnten diese überwunden werden?

An erster Stelle sind hier der Datenschutz und die Datenschutzgesetze zu nennen: Der Einsatz von KI in unserem Bereich erfordert oft den Zugriff auf sensible Daten von Teilnehmer:innen und Lehrkräften. Datenschutzbestimmungen und -richtlinien können den Datenaustausch und die Analyse behindern, insbesondere, wenn sie nicht klar definiert sind oder wenn sie den Schutz der Privatsphäre nicht angemessen berücksichtigen. Eine Lösung könnte darin bestehen, klare Richtlinien für den Umgang mit Bildungsdaten festzulegen und sicherzustellen, dass alle KI-Anwendungen den geltenden Datenschutzbestimmungen entsprechen.
Des Weiteren spielen Haftung und Verantwortlichkeiten eine Rolle: Bei der Nutzung von KI in unserem Bereich können Fragen zur Haftung und Verantwortlichkeit aufkommen, insbesondere wenn KI-Systeme Fehler machen oder unvorhergesehene Ergebnisse liefern. Es ist wichtig, klare Regelungen zur Haftung festzulegen und sicherzustellen, dass alle Parteien – einschließlich Entwickler, Bildungsträger und Behörden – angemessen geschützt sind.

Ein weiteres Hindernis stellen die Bildungspolitik und –finanzierung dar: Die Integration von KI in Bildungseinrichtungen erfordert erhebliche Investitionen in Technologie, Schulungen und Infrastruktur. Politische Entscheidungsträger müssen überzeugt werden, diese Investitionen zu tätigen. Es müssen Mechanismen geschaffen werden, um sicherzustellen, dass die Mittel effektiv eingesetzt werden. Bildungspolitik und -finanzierung muss darauf ausgerichtet sein den Einsatz von KI zu unterstützen und sicherzustellen, dass alle Teilnehmer:innen Zugang zu den damit verbundenen Vorteilen haben.

Bei der Nutzung von KI geht es auch um die Themen Ethik und Gerechtigkeit: Der Einsatz von KI in unserem Bereich kann ethische Fragen aufwerfen, insbesondere in Bezug auf Fairness, Diskriminierung und Gerechtigkeit. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass KI-Systeme nicht zu Ungleichheiten führen und dass alle Teilnehmer:innen fair behandelt werden. Dies erfordert möglicherweise die Entwicklung und Umsetzung ethischer Leitlinien für den Einsatz von KI im Bildungsbereich sowie Mechanismen zur Überprüfung und Beurteilung der Auswirkungen auf verschiedene Teilnehmer:innengruppen.

Um all diese Hindernisse zu überwinden, müssen politische Entscheidungsträger eng mit Bildungsexperten, Datenschutzbeauftragten, Ethikern und anderen relevanten Stakeholdern zusammenarbeiten, um geeignete Richtlinien, Gesetze und Standards zu entwickeln. Es ist wichtig, dass diese Maßnahmen darauf abzielen, den Einsatz von KI im Bildungsbereich zu unterstützen und sicherzustellen, dass er zum Wohl aller Teilnehmer:innen eingesetzt wird.