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Der Billigste oder der Beste? Sozialverantwortliche Vergabepraxis in Kommunen

Als „guter Auftraggeber“ soll der Staat immer mehr auch gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten von Auftragsfirmen gewährleisten. Zugleich muss der Preis aber möglichst niedrig sein und der Anspruch an die Qualität der eingekauften Dienstleistungen steigt. Wie Kommunen mit diesen widersprüchlichen Anforderungen und Konflikten in der Vergabepraxis umgehen, hat das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE) in einer von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Studie untersucht.

Die IAQ-Forscherinnen Dr. Karen Jaehrling und Christin Stiehm haben dafür in fünf deutschen Großstädten über 60 leitfadengestützte Interviews mit Vertreter:innen von lokaler Politik und Verwaltung, lokalen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, beauftragten Firmen und deren Beschäftigten sowie weiteren Organisationen geführt. Ergebnis: Auch im Bereich der ‚einfachen‘ Dienstleistungen wie Schulverpflegung und Sicherheitsdienstleistungen gibt es neue Entwicklungen, die weg von der Vergabe nach dem niedrigsten Preis führen. Stattdessen orientieren sich Verwaltungen stärker am Leitbild des ‚Guten Dienstleisters‘, das der Qualität der staatlichen Dienstleistungen größeren Wert beimisst.

Für die Berücksichtigung sozialer Kriterien hat diese Qualitätswende allerdings widersprüchliche Effekte. Denn die Qualität der Dienstleistung kann auch zur Bremse für „gute Arbeit“ werden, etwa bei der Schulverpflegung. Die von den Akteuren gewünschten Qualitätsverbesserungen – z.B. Bio-Kost – führen zwangsläufig zu höheren Kosten; gleichzeitig sollen im Interesse der zahlenden Eltern (und der sozialen Inklusion der Kinder) allzu starke Preissteigerungen vermieden werden. Dabei dämpfen den Preisanstieg meist nicht zusätzliche öffentliche Subventionen, sondern ein Preisdeckel, an dem sich die bietenden Unternehmen orientieren müssen. „Ob sich damit angemessene Löhne refinanzieren lassen oder nicht, spielt bei diesen Überlegungen typischerweise keine Rolle“, stellte Dr. Karen Jaehrling fest. „Ergebnis sind weniger ‚Marktpreise‘ als vielmehr ‚Wunschpreise‘, die sich recht weit unterhalb dessen bewegen, was von wissenschaftlicher Seite als auskömmlicher Preis ermittelt wurde.“

Während es auf kommunaler Ebene mittlerweile zahlreiche Richtlinien, Ratsbeschlüsse und Dienstanweisungen für ökologische Kriterien und fair gehandelte Produkte gebe, fehle es an entsprechenden klaren politischen Mandaten zugunsten guter Arbeitsbedingungen. Um eine bessere Balance zwischen den Interessen der Nutzer:innen und der Produzenten öffentlicher Dienstleistungen hinzubekommen, wäre eine systematischere Einbeziehung von Gewerkschaften, Unternehmensverbänden und ggf. betrieblichen Interessenvertretungen wünschenswert, raten die IAQ-Forscherinnen. „Insgesamt bedarf es für eine sozialverantwortliche Vergabepraxis weiterer Reformen und infrastruktureller Unterstützung.

Jaehrling, Karen / Stiehm, Christin, 2022: Der Staat als ‚Guter Auftraggeber‘: Herausforderungen und Strategien in der sozialverantwortlichen Vergabepraxis