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Übergang in Ungewissheit

Junge Hauptschulabsolvent/innen auf dem Weg in Ausbildung und Erwerbsarbeit von Dr. Christine Steiner und Frank Tillmann: forum arbeit 02|19. Übergang Schule- Beruf.

Die Übergangsphase von der Schule in Ausbildung und Beruf ist gerade für Absolvent/innen des Hauptschulbildungsgangs mit Exklusionsrisiken verbunden. Sie müssen vielfach Zwischenschritte und Umwege in die Ausbildung oder den Beruf in Kauf nehmen. Obwohl sich die Rahmenbedingungen auf dem Ausbildungsstellen- und Erwerbsmarkt für die Schulabgänger/innen in dieser Dekade erheblich verbessert haben, können Jugendliche mit schwierigen Startvoraussetzungen davon vielfach nicht profitieren.

Jüngere Entwicklungen
Mit dem Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 war international ein rasanter Anstieg der Zahl arbeitsloser Jugendlicher und junger Erwachsener zu beobachten, welche trotz eines zwischenzeitlichen Rückgangs noch immer nicht den Stand vor Krisenbeginn erreicht (1). In Deutschland können demgegenüber in den letzten Jahren gänzlich andere Veränderungsprozesse beobachtet werden. Zunächst haben sich die Bedingungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt für Bewerber/innen deutlich verbessert – von etwa 85 gemeldeten Ausbildungsplätzen pro 100 Bewerber/innen im Jahr 2007 auf zuletzt ca. 97 im Jahr 2018. Neben der guten Wirtschaftsentwicklung ist dies in erster Linie auf den demografisch bedingten Rückgang der Schulabgänger/innen zurückzuführen (1). Im gleichen Zeitraum sank zudem die Jugendarbeitslosigkeit, d.h. der Anteil der Arbeitslosen an den 15 bis 25-Jährigen, von ca. 9% auf unter 5% (2). Darüber hinaus kann in den letzten Jahren unter den Schulabgänger/innen ein stetig steigender Anteil mit Hochschulzugangsberechtigung verzeichnet werden, wodurch sich die Aussichten der übrigen auf einen Ausbildungsplatz zusätzlich verbessern (3). So werden in vielen Branchen inzwischen händeringend Auszubildende gesucht, wenngleich regional große Unterschiede bei der Ausbildungsstellenversorgung bestehen (4).

Übergänge in Ausbildung
Vor dem Hintergrund dieser günstigeren Bedingungen wäre eine bessere Integration der Absolvent/innen aus Hauptschulbildungsgängen auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu erwarten. Doch in den Daten der Integrierten Ausbildungsberichterstattung wird sichtbar, dass gerade die Jugendlichen mit Hauptschulabschluss bisher nicht selbstverständlich von der verbesserten Lage profitieren können. Demnach ist der Anteil derjenigen, die nach der Schule in den so genannten Übergangssektor einmünden, also beruflich lediglich vorqualifizierende Maßnahmen wahrnehmen, innerhalb dieser Dekade kaum sichtbar abgesunken. Der in diesem Zeitraum zu verzeichnende Anstieg ist in erster Linie auf die Aufnahme von Geflüchteten zurückzuführen – ungeachtet dessen blieb der Anteil der Jugendlichen in Übergangsmaßnahmen 2018 mit knapp 14% eines Absolvent/innenjahrgangs noch immer relativ hoch (5). Allerdings sind Hauptschulabsolvent/innen besonders in Berufen des Handwerks, die traditionell einen hohen Anteil an Auszubildenden mit Hauptschulabschluss aufweisen, zunehmend nachgefragt (6). Zugleich bleiben in diesen typischen „Hauptschüler/innen-Berufen“ oft unbesetzt (7).

Sieht man davon ab, dass Ausbildungsplätze und -interessent/innen nicht immer am selben Ort sind, zeichnet sich eine ungewöhnliche Mismatch-Konstellation ab. In diesem Zusammenhang ist ein Befund aus dem DJI-Übergangspanel (2. Untersuchungskohorte) zu den Zukunftssichten der angehenden Absolvent/innen mit Hauptschulabschluss interessant. So gab in der Befragung 2017 nahezu die Hälfte der Jugendlichen (46%) an, Probleme damit gehabt zu haben, nicht zu wissen, was später einmal aus ihnen wird. Im Vergleich zur ersten Untersuchungskohorte, die 2005 befragt wurde, stellt dies eine Zunahme der Verunsicherung um etwa 10% dar. Hierbei hegten insbesondere die jungen Frauen sowie Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien solche zukunftsbezogenen Sorgen (7), also Gruppen, die unter Hauptschulabsolvent/innen am Übergang in Ausbildung tatsächlich benachteiligt sind.

Eine naheliegende Erklärung für die zunehmende Verunsicherung der Jugendlichen könnte in der Qualität der Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse liegen. So liegt die Abbruchquote gerade auch in den Schüler/innen mit Hauptschulbildung zugänglichen Berufen recht hoch. Darüber hinaus sind sie als Erwerbseinsteiger/innen deutlich häufiger zunächst in prekäre Beschäftigung verwiesen. Ihre Arbeitsverhältnisse sind öfter mit Befristung, atypischen Arbeitszeiten – etwa am Wochenende – sowie Leiharbeit, unfreiwilliger Teilzeit oder Mehrfachjobs verbunden. Außerdem arbeiten sie weit häufiger im Niedriglohnsektor als ältere Arbeitnehmer/innen mit vergleichbaren Abschlüssen (8 & 9).

Fazit
Die durch den demografischen Wandel sinkenden Zahlen an Schulabgänger/innen und die wirtschaftliche Prosperität haben hierzulande die Integrationschancen für Jugendliche insbesondere mit niedrigeren Bildungsabschlüssen in Ausbildung und Erwerbsarbeit nicht selbstverständlich verbessert. Für diese Jugendlichen bedarf es einerseits einer besseren Übersichtlichkeit sowie Planbarkeit ihres Übergangs in Ausbildung und Erwerbsarbeit – z.B. durch für sie eigens aufbereitete Informationen zu regionalen Ausbildungsmöglichkeiten und mittelfristigen Fachkräftebedarfen. Andererseits sollten unentschlossene Jugendliche im Erwerb weiterführender Abschlüsse oder in der Aufnahme von Moratorien, wie z.B. Freiwilligenjahren, bestärkt werden. Darüber hinaus müssen sich auch ihre Beschäftigungsperspektiven verbessern, welche ihnen mit annehmbaren Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie auskömmlicher Entlohnung eine Rendite ihrer Übergangsanstrengungen in Aussicht stellen.

Antje Lezius (CDU), Jessica Tatti (DIE Linke), Oliver Kaczmarek (SPD) und Dr. Jens Brandenburg (FDP) haben den Artikel für die forum arbeit kommentiert.
Literatur- und Quellenverzeichnis
1) ILO (2015): Youth employment crisis easing but far from over. Internet-Ressource. [Abruf am 10.5.2019]
2) Quelle: BiBB-Datenreports zum Berufsbildungsbericht 2016 sowie 2019
3) EUROSTAT (2019): Internet-Ressource.
4) Kleinert, C. (2015): Regionale Disparitäten beim Übergang in duale Ausbildung : eine Typologie des IAB, In: BiBB (Hrsg.): Chancen und Risiken aus der demografischen Entwicklung für die Berufsbildung in den Regionen, Bielefeld, S. 63-78.
5) BMBF (2018): Bildung in Deutschland 2018, Bonn/Berlin, S. 133.
6) BiBB (2019): Datenreport zum Berufsbildungsbericht. Bonn, S. 96
7) Ebd., S. 16.
8) 7)  Matthes, S. u.a. (2019): Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2018. Deutlich mehr Ausbildungsplatzangebote, jedoch erneut mehr unbesetzte Plätze. BonnReißig, B. u.a. (2018): Was kommt nach der Schule? München/Halle, S. 45.
9) Seils, E., (2016): Jugend und befristete Beschäftigung: Eine Auswertung auf der Basis aktueller Daten des Mikrozensus, WSI Policy Brief Nr. 8, Düsseldorf.
10) Spannagel, D., Seikel D., Schulze Buschoff, K., Baumann H., (2017): Aktivierungspolitik und Erwerbsarmut, WSI-Report Nr. 36, 7/2017, WSI, Düsseldorf.

Der Text ist erschienen im: Übergang Schule – Beruf (02|19)