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Chancen und Risken des Mindestlohns

Marc Hentschke, geschäftsführender Vorstand der bag arbeit und Geschäftsführer des Sozialunternehmens Neue Arbeit Stuttgart, bezieht Stellung:

Chancen und Risken des Mindestlohns

Die Erhöhung des allgemeinen Mindestlohns war das wichtigste Wahlkampfversprechen der SPD im Bundestagswahlkampf 2021. Viele Jahre haben die Tarifpartner es in den unteren Einkommensgruppen nicht erreicht eine armutsfeste Vergütung auszuhandeln. Nun sieht sich der Staat in der Verantwortung einzugreifen und die untere Lohngrenze ab 01.10.2022 durch eine politische Entscheidung auf 12,- Euro Stundenlohn zu setzen.
Es ist unstrittig eine weitere Abkopplung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Entlohnung für viele Menschen, die in den Einkommensklassen arbeiten. Volkswirtschaftlich ist es sinnvoll. Unternehmen mit personalintensiven Geschäftsmodellen werden, wenn sie die Lohnerhöhung nicht am Markt durchsetzen können, in Bedrängnis kommen und für einen Marktverbleib Kostenstrukturen anpassen müssen.
Bei Sozialunternehmen kommt es auf das Refinanzierungsmodell an. Wenn die Finanzierungen der Beschäftigten nach § 16i erfolgt, wird die Lohnerhöhung durch die Erhöhung der Förderung in den ersten beiden Jahren vollständig kompensiert, in den drei Folgejahren werden die Unternehmen bei einer Vollzeitstelle im Schnitt eine größere Belastung von 667,- Euro p.a. pro Stelle haben. Diese Belastung wird durch die Erhöhung der Preise am Markt zu refinanzieren sein. Für Inklusionsunternehmen, bei denen Menschen, die schwerbehindert und besonders betroffen sind, arbeiten, verhält es sich deutlich komplizierter. Hier gewährt das jeweilige Integrationsamt des Bundeslandes einen Beschäftigungssicherungszuschuss, der i.d.R. bei max. 30% liegt. Die Mehrbelastung durch die 15% Erhöhung des Mindestlohns pro Stelle liegt bei 2.368 Euro p.a.. Diese Steigerung ist nicht ad hoc am Markt durchzusetzen. Insofern ist es existentiell wichtig, dass die Integrationsämter-die ungeplante Lohnerhöhung durch Erhöhung des Förderungssatzes ausgleichen. Ansonsten droht den besonders benachteiligten Menschen am Arbeitsmarkt statt Inklusion eine Exklusion. (Beitrag als PDF)

Der Text ist erschienen im: forum_arbeit_01-22 – Mindestlohn: Chancen und Risiken

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