Koalitionsausschuss einigt sich auf Neue Grundsicherung – die wichtigsten Beschlüsse im Überblick

Der Koalitionsausschuss von Union und SPD hat seine Beratungen beendet. Neben Einigungen zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, zum neuen Infrastrukturbeschleunigungsgesetz sowie zum Rentenpaket inklusive Aktivrente betrifft ein Kernpunkt der Beschlüsse die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik: Das bisherige Bürgergeld soll abgeschafft und durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzt werden.

Die Koalition hat ihren Beschlusstext vorgelegt, der deutliche Änderungen vorsieht. Hier finden Sie einen Überblick der wichtigsten Punkte:

Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs

Der Vermittlungsvorrang soll künftig grundsätzlich wieder gelten. Da wo eine Qualifizierung mit Blick auf die dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt erfolgsversprechender erscheint, insbesondere bei den unter 30-Jährigen, sollte eine Qualifizierung Vorrang haben.

 

Kooperationsplan mit Rechtsfolgen

Leistungsberechtigte sollen künftig verbindlich zu einem ersten persönlichen Gespräch eingeladen werden, sobald sie einen Antrag stellen. Auf Grundlage dieses Gesprächs wird ein Kooperationsplan mit gegenseitigen Rechten und Pflichten erstellt. Kommt dieser Kooperationsplan nicht zustande, wird ein Verwaltungsakt erlassen. Auch bei Verstößen gegen den Kooperationsplan kann ein solcher Verwaltungsakt erlassen werden.

 

Verschärfung der Sanktionen

Das Sanktionssystem wird verschärft:

  1. Versäumte Termine:
    Wer einen ersten Termin im Jobcenter nicht wahrnimmt, wird zu einem zweiten Termin eingeladen. Bleibt auch dieser ungenutzt, werden die Leistungen um 30 Prozent gekürzt. Wird ein dritter Termin versäumt, entfallen die Geldleistungen vollständig. Erscheint die Person auch im Folgemonat nicht, werden sämtliche Leistungen inklusive der Kosten der Unterkunft eingestellt. (Härtefälle, wie krankheitsbedingte Abwesenheiten, sollen berücksichtigt werden.
  2. Pflichtverletzungen:
    Bei der ersten Pflichtverletzung (z. B. Ablehnung einer zumutbaren Arbeit) wird das Arbeitslosengeld II bzw. die neue Grundsicherung um 30 Prozent gekürzt.
    Verweigert eine Person die Arbeitsaufnahme vollständig, können alle Geldleistungen gestrichen werden. Die Kosten der Unterkunft sollen in solchen Fällen direkt an den Vermieter überwiesen werden, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden.

Wie Table.Media berichtet, wirft insbesondere die geplante Möglichkeit, neben den Geldleistungen auch die Mietzahlungen zu streichen, verfassungsrechtliche Fragen auf.Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 wäre eine solche Maßnahme rechtswidrig, da sie faktisch zur Obdachlosigkeit führen könnte. Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) argumentiert jedoch, dass es sich bei der neuen Regelung nicht um eine Sanktion im Sinne des Gerichts, sondern um eine Folge der Mitwirkungspflichten nach dem SGB I handele. Damit müsste eine mögliche Verfassungswidrigkeit erst durch Karlsruhe festgestellt werden.

 

Engmaschigere Betreuung und Clustering im Jobcenter

  • Für Langzeitarbeitslose soll es künftig eine intensivere und engere Betreuung geben.
  • Die Jobcenter sollen Leistungsberechtigte anhand ihrer Arbeitsmarktnähe in Gruppen („Cluster“) einteilen und die Intensität derBetreuung auf dieses Kriterium ausrichten.
  • Die Kontaktdichte zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten soll erhöht werden.

 

Eltern mit kleinen Kindern stärker in der Pflicht

Mütter und Väter mit Kindern unter drei Jahren sollen gezielter angesprochen werden.
Ab dem ersten Lebensjahr des Kindes besteht eine Beratungspflicht im Jobcenter.
Sofern Kinderbetreuung vorhanden ist, besteht außerdem die Pflicht zur Teilnahme an Integrationsmaßnahmen.

 

Vermögensanrechnung ohne Karenzzeit

Die bisherige Karenzzeit bei Vermögen und Unterkunftskosten entfällt. Künftig wird das Schonvermögen an die „Lebensleistung“ der Betroffenen gekoppelt (Alter und bisherigen Beitragszeiten in der Arbeitslosenversicherung). Auch bei unangemessen hohen Unterkunftskosten soll keine Karenzzeit mehr gelten.

 

Maßnahmen gegen Sozialleistungsmissbrauch

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Bekämpfung von Sozialleistungsmissbrauch. Geplant sind: schärfere Kontrollen gegen Schwarzarbeit, eine verstärkte Arbeitgeberhaftung, eine präzisere Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Kontext der EU-Freizügigkeit, ein verbesserter Datenaustausch zwischen Behörden, sowie Maßnahmen gegen Vermieter sogenannter Schrottimmobilien.

 

Reha, Gesundheit und psychische Stabilisierung

Rehabilitations- und Gesundheitsangebote für Leistungsberechtigte sollen gestärkt werden  und Mitarbeiter:innen besser geschult werden, insbesondere im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Zudem sollen Schnittstellen zwischen den beteiligten Institutionen (Jobcenter, Krankenkassen, Reha-Träger) vereinheitlicht und vereinfacht werden.

 

Neuformulierung des Erwerbsfähigkeitsbegriffs

Bemerkenswert ist die Ankündigung, den Erwerbsfähigkeitsbegriff „realitätsnäher“ zu definieren.

„In diesem Zusammenhang wollen wir den Erwerbsfähigkeitsbegriff realitätsnäher definieren, damit Menschen, die auf Dauer nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können, die für sie richtige Hilfe erhalten können.“

Damit deutet sich an, dass bestimmte Gruppen möglicherweise aus dem bisherigen System der Grundsicherung (SGB II) herausgenommen und in andere Unterstützungssysteme überführt werden könnten.

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